Planeten der Nacht – Schwarze Flügel

Leseprobe

Ich wusste nicht, wie lange ich so dasaß. Meine Tränen waren schon lange verbraucht, salzige Spuren klebten an meinen Augen und Wangen. Ich starrte auf den Boden, weder denkend noch bewegend. Da war nichts, woran ich denken konnte.  Lilly war tot. War es meine Schuld oder ihre eigene Entscheidung?  Plötzlich war der graue Fleck am dreckigen Boden total interessant und meine Augen verharrten auf ihm, bis Mikey neben mir flüsterte: „Sie glauben, sie hat uns verraten.“  Ich antwortete nicht – zu schwach, um mich aufzuregen, zu müde um mich dazu zu äußern.  Ich wusste, dass Lilly es nicht gewesen war. Das konnte sie nicht gemacht haben. Sie kannte weder Nicholas James, noch interessierte sie sich groß für Halbanemanier, ebenfalls war sie auch nicht gegen sie. Sie war es nicht, da war ich mir zu hundert Prozent sicher.   „Wo ist sie?“, wisperte ich nach einiger Zeit. „Ich will sie sehen.“  „Sie haben sie mitgenommen“, antwortet Mikey.   Ich richtete mich auf. „Wer?“  „Nicholas James und seine Leute.“  „Er war der Angreifer“, sagte ich, mehr bestätigend als fragend.   „Ja.“  Mir stockte der Atem. Ich schaute mich wild um und suchte, doch ich fand nichts.   „Wo ist Tony?“, fragte ich dann.   Mikey schaute mich an. „Sie haben ihn auch“, erklärte er um Fassung bemüht.  „Nicholas James?“, hauchte ich entsetzt.  Mikey nickte.   „Lebt er noch?“, wollte ich wissen.   „Ja. Sie brauchen ihn.“  Ich wischte mir die Tränen aus den Augen. Ich drückte meine Handballen fest in sie und rieb, um das Salz wegzubekommen und tief durchatmen zu können.   „Gott“, murmelte ich. „Was machen wir denn jetzt?“  Ich fragte, obwohl ich die Antwort schon kannte.  „Ihn suchen“, antwortete eine feste Stimme.  Mikey und ich schauten auf.  Peter guckte uns mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Wir werden ihn suchen und befreien. Und dann wird Nicholas James büßen für das, was er uns angetan hat“, sagte er wütend.  Greg und Emily traten hinter ihn.  „Wir sind dabei“, nickte sie.  Ich taumelte auf die Beine. „Ich auch“, bestätigte ich. „Mikey?“ Er nickte stumm und erhob sich. „Kommt mit“, winkte Peter und drehte sich um.  Wir folgten ihm, während er erklärte: „Als sie in unser Labor eingebrochen sind und sich Tony geschnappt haben, konnte ich mich dank meiner Verwandlungsform schnell genug verstecken. Sie haben Tony mit einem Pfeil betäubt und rausgeschleppt. Es waren so viele.“ Wir liefen zwischen den Bettreihen her. Peter fuhr fort: „Als sie aus dem Labor raus waren – diese Vollidioten haben natürlich nicht weiter geguckt, was wir da alles drin haben –, konnte ich Vieles in meinen Rucksack stopfen und die restlichen Sachen sicher verstauen, bevor ich aus dem Fenster floh.“  Wir kamen am letzten Bett ganz hinten an der Wand an. „Tony und ich, wir sind Genies“, sagte Peter schließlich und grinste selbstzufrieden, als er das sagte. Dann bückte er sich unter das Bett. „Wir haben neben der Waffe für Nicholas James auch noch einige Sachen entwickelt, die uns jetzt ziemlich gut helfen werden.“ Er holte einen großen Rucksack raus, öffnete ihn und leerte ihn über dem Bett aus. Dann beugte er sich vor und ordnete alles auf dem Bett so nebeneinander, dass jeder es gut sehen konnte. Dort lagen mehrere Waffen. Sie waren klein und – wie ich feststellen konnte, als ich sie hochnahm – auch leicht. Sie waren silbern und an einigen Stellen leuchteten sie blau. „Was ist das?“, fragte ich. Peter grinste mich an, hob seine Hand und plötzlich zischte blaue Elektrizität zwischen ihnen hin und her. „Meine Kraft“, antwortete er. „Tony und ich haben experimentiert. Wir wollten gucken, wie Nicholas es geschafft hat, durch die DNA von Tony seine eigene umzuschreiben. Er hat Tonys Kraft extrahiert und in sich eingesetzt. Leider wirkt die anemanische Kraft bei jedem anders. Nicholas ist ein Mensch, sie frisst ihn von innen auf. Er braucht Tony nun, um sich am Leben zu halten. Tony und ich wollten, um ein Heilmittel zu finden, erst wissen, wie Nicholas das überhaupt geschafft hat. Wir extrahierten meine DNA und setzten sie in kleine Kugeln ein, die wir als Organismus vorher synthetisiert hatten. Als es klappte, kamen wir auf die Idee, diese Organismen in Waffen einzubauen.“ Er legte mir eine weitere Waffe in die Hand und deutete darauf. „Und das ist die Waffe, die wir brauchen um Nicholas wieder zu heilen. Leider ist es so: Die Organismen, die wir entwickelt hatten, hatten anemanische Gene in sich und keine menschlichen. Wir waren gerade dabei, das Mittel für die menschlichen Gene zu synthetisieren, als die Männer angriffen. Das heißt, es steht immer noch im Labor.“ „Wir müssen also zurück zur Schule?“ Emily hob fragend eine Augenbraue. Peter nickte. „Die ganze Schule ist abgebrannt. Da ist nichts mehr, Peter, nichts mehr! Alles ist Asche und kaputt. Dein Heilmittel existiert nicht mehr!“, fauchte sie ihn an. Peter schaute sie ruhig an, nahm eine Waffe vom Bett und legte sie Emily in den Arm. „Ich sagte doch, bevor ich aus dem Fenster geflüchtet bin, konnte ich die Sachen sichern. Ich habe die Brandschutztüren aktiviert. Der ganze untere Bereich steht also noch.“ Emily hob an, um etwas zu sagen. Sie öffnete und schloss den Mund dann aber nur noch wie ein Fisch und murmelte letzten Endes: „Okay.“ Greg schnappte sich auch eine Waffe, doch als Mikey es ihm nachmachen wollte, hielt Emily seinen Arm fest, bevor er sich der Waffe nähern konnte. Mikey schaute zu Emily und drehte somit seinen Kopf von mir weg. Ich konnte daher seinen Gesichtsausdruck nicht sehen, dennoch zog ich verwirrt meine Augenbrauen zusammen und fragte: „Was soll das, Emily?“ „Ich habe doch gesagt, Mikey könnte der Verräter sein. Wir können ihm keine Waffe geben“, knurrte Emily. Verdutzt schaute ich sie an. „Emily, Mikey ist hier bei uns und nicht bei Nicholas James, glaubst du er wäre hier noch, wenn er uns verraten hätte? Er ist mein Freund, Tonys bester Freund und er hat uns die ganze Zeit unterstützt. Mag sein, dass du ihm nicht traust, aber ich schon. Ich kenne ihn und Mikey würde uns nie verraten“, schnaubte ich und nahm die Waffe von dem Bett, um sie Mikey in die Hand zu drücken. Emily hob eine Augenbraue, ließ dann Mikey los und sagte zu mir, ohne den Blick von der Waffe in Mikeys Hand zu nehmen: „Okay, auf deine Verantwortung.“ Ich nickte einverstanden. „Okay, was ist der Plan?“, wollte Greg grinsend wissen.